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Coupe de France #1: Raon L’Étape. Rennbericht von Jakob Breitwieser

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Mme Ravanel lässt sich über stylisch über den Doubel auf der letzten Stage

Was treibt der eigentlich eher dem Bergabfahren zugeneigte Mountainbiker, wenn er mal ein Wochenende frei hat? Richtig, er fährt ein 24-Stunden Klappradrennen. Mit dermaßen gestählten Schenkeln sollte so ein Endurorennen ja eigentlich ein Klacks sein. Diesmal steht allerdings der erste Lauf des Coup de France an, was immerhin die höchste Rennserie in Frankreich ist und ordentlich Strom in den Beinen erfordert. Zum Glück ist der Lauf in den Vogesen und von Freiburg aus in unter zwei Stunden zu erreichen. Mit Felix “Demolition” Döring machte ich mich Freitagabend auf den Weg. Dort angekommen treffen wir uns mit den beiden Reiser Brüdern, mit denen wir eine Unterkunft teilen.

Extra für das Wochenende scheint die Sonne. Gut so, denn uns stehen lange Stunden im Sattel bevor: Ein Trainingstag mit fünf Trainingsläufen und einer gewerteten Stage, gefolgt vom eigentlichen Renntag mit fünf gewerteten Einheiten. So kommen an zwei langen Tagen etwa 3300 Höhen- und Tiefenmeter zusammen.

# Fette Gabel und feinste Bremsen für die zwei Renntage
# Das Rennen ist sehr stark und zahlreich besetzt
# Bei der Startnummer ist man für gewöhnlich sehr schnell

Das Training läuft auch schon sehr geregelt ab, es gibt verpflichtende Startzeiten und es darf – abgesehen von Defekt oder Sturz – nicht angehalten werden. Man kennt die Strecken danach also gar nicht mal so gut. Professionell wie ich bin, habe ich mir aber extra eine GoPro ausgeliehen, um die Trainingsläufe aufzuzeichnen. Als ich mit den beiden Reisers hoch zur ersten Stage kurbel, merke ich jedoch, dass ich die Kamera auf dem Zimmer vergessen habe. Tja, dann muss sich mein Hirn halt etwas mehr anstrengen.

# Frisch gelegte Trails durch den luftigen Vogesenboden

Die Wertungsprüfungen gestalten sich abwechslungsreich, sowohl technisch (juhu!) als auch konditionell (ahh!) sehr fordernd. Bei den Sprüngen, krassen Kompressionen und Highspeedstücken macht die vorhergehende Besichtigung aus Sicherheitsgründen auf jeden Fall Sinn. Bis auf eine Stage, die entgegen meinen Vorlieben zu flach und eng kreuz und quer durch das Unterholz verlegt ist, gefällt mir der Rest ziemlich gut. Nach beendetem Training steht die erste gewertete Etappe an. Zuerst schauen wir aber den vor uns startenden Fahrern des E-Bikes Rennens zu, allen voran Nico Vouilloz. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich das jetzt cool oder ziemlich bescheuert finde. Gespannt bin ich aber, ob schlussendlich ein E-Bike oder ein normales Endurobike die Bestzeit fahren wird.

# Was soll man dazu sagen - Nico Vouilloz auf einem E-Bike

Mein eigener erster Run läuft bis auf eine kurze Blockade durch vor mir gestartete Fahrer zufriedenstellend und ich lande auf dem 40. Platz. Damit verliere ich nur wenige Sekunden auf Tobi und Markus, die gleichschnell fahren und mit einem 21. und 22. Platz im Gepäck zur Unterkunft fahren können. Dies zeigt jedoch aber auch auf, auf welchem Niveau die Franzosen unterwegs sind, sind die beiden Reisers doch die aktuell schnellsten deutschen Enduropiloten.

Der Sonntag beginnt chaotisch, wie es in meinen Reisetruppen irgendwie immer üblich ist. Fragt nicht, wieso. Tobi, Markus und ich verpassen unseren Start um gute 15 Minuten (Ja ok, wir haben zu lange Pain-au-Chocolat gegessen, wussten dafür aber auch unsere Startzeiten nicht). Statt gemütlich hoch zu rollen, müssen wir jetzt ordentlich Gas geben. Dem Tobi als altem Tretschwein macht das zwar nichts aus, Markus, der sich aber eh nicht so gut fühlt, sieht schon etwas blässlich verschwitzt aus, während ich mit jedem Tritt die Kraft aus meinen Beinchen schwinden fühle. Nur dank meiner Klappradpower komme ich noch pünktlich.

# Leicht feuchter Boden und große Steine - teilweise etwas glitschig

Quasi nahtlos starten wir auf Stage eins, in der auf ein schnelles Ballerstück steile Kehren im losen Boden folgen – samt etlichen Todeskompressionen, in denen mich nur meine dicke Gabel noch auf dem Rad hält – bevor es im Sprint ins Ziel geht. Stage 2 vernichtet alle mühsam erstrampelten Höhenmeter auf schnelle, aber geniale Weise: nach einem kurzen Antritt kippt der Trail gefühlt senkrecht ab, alles im losen Boden, gewürzt mit Kehren und Kompressionen. Taugt!

Auch wenn sich mein Kopf nicht alle Linien merken konnte, fällt selbst mir auf, dass der Start von der nächsten Stage weiter unten beginnt als am Vortag. Aufgrund vieler Verletzungen im Training haben die Veranstalter beschlossen, den wirklich kniffligen Einstieg auszulassen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Strecke nun leicht ist. In einem garstig steilen Stück sehe ich die – wie ich in dem Moment denke – absolut schnellste Linie über einen fetten Felsen.

# Mme Ravanel fliegt stylish über über den Double auf der letzten Stage

Mir ziemlich cool vorkommend springe ich vor einem Haufen Zuschauern auf eben genannten Stein. Just in diesem Moment beschließt die Schwerkraft allerdings mal wieder, mir in den Hintern zu treten. Dank mangelndem Grip beschleunigt mein Rad schneller als Felix’ Auto (und das ist sehr schnell!). Verzweifelnd an den Bremshebeln ziehend glitsche ich den Stein wieder hinunter, weiß schon in der Luft, dass ich die folgende Kehre niemals mehr schaffen werde, dann kracht es. Gekonnt fange ich die entstehende Energie mit dem Gesicht ab. Die Zuschauer johlen, ich rappele mich auf, biege den Lenker gerade und haste weiter, bevor ich vor lauter Hektik den nächsten Abflug mache. Dabei beschließt mein Trigger auch noch, in den dicksten Gang zu schalten und sich irgendwie mit dem Lenker zu verklemmen.

Zugegebenermaßen fluche ich kurz unanständig und beschließe, jetzt entspannt herunter zu kurven. 15-20 Sekunden sind dahin, aber was soll es. Ich bin zum Glück ja nur Hobbyfahrer. Unten erfahre ich, dass Tobi exakt die selbe Linie wie ich genommen hat und mir dankenswerterweise schon mal das Flatterband abgeräumt hat. Auch er verliert auf dieser Stage einen dicken Batzen Zeit. Markus kommt zwar sauber herunter, muss aber leider im folgenden Anstieg aussteigen, da es ihm nicht gut geht.

# Der Meister - Jérôme Clementz bei der Arbeit

Die nächste Stage beginnt mit einem gut zwei- bis dreiminütigem Tretstück quer durch das Unterholz. Trotz eigentlich noch erstaunlich guter Beine will mein Kopf irgendwie nicht so wirklich, ich drücke zu oft auf das verführerische Knöpfen meiner Reverb und setze mich faul auf den Sattel. Dementsprechend fällt hier meine Zeit aus.

Dagegen ist die letzte Stage wieder nach meinem Geschmack. Außerdem kennen wir diese schon, sind wir sie doch schon gestern Abend als Prolog gefahren. Immerhin hier kann ich noch einmal eine gute Zeit abliefern, übrigens sieben Sekunden schneller als am Vortag.
Am Ende finishe ich als 40., was für mich nach der überstandenen Antibiotikakur nach dem Zeckenbiss in Ordnung geht. Würde ich noch weiter nach vorne wollen, müsste ich allerdings sowohl Vorbereitung als auch das Rennen selbst deutlich professioneller bestreiten. Ich Pfeifenkopf habe nicht mal Wechselreifen. Felix kann beim ersten Rennen nach seinem Sturz vor sechs Wochen auf einen 79. Platz fahren, während immerhin Tobi uns ganz ordentlich vertritt und 21. wird.

# Podium Männer - finanziell gesehen sollte man wohl eher Fußball spielen

Fazit: Auch der Coupe de France ist eine sehr zu empfehlende Rennserie mit einem witzigen Format. Der technische und konditionelle Anspruch ist aber enorm hoch, sodass er den erfahrenen Rennfahrern vorbehalten ist. Die Organisation ist top, auch wenn alles etwas internationaler gestaltet werden könnte. Französischkenntnisse sind zu empfehlen. Besonders hervorzuheben ist die geniale Verpflegung während des Rennens.

# E-Bike ist nur was für Alte und Unsportliche

Übrigens vermute ich mittlerweile, dass noch irgendwelche Obelix-Gene in den Körpern der französischen Biker stecken müssen. Keine Ahnung, warum die alle sonst so schnell fahren können. Eventuell spielen aber auch ihre überragende Nachwuchsförderung, die perfekten Trainingsstrecken, eine allgemeine Akzeptanz und Förderung des Bikesports und ihre enorme Professionalität eine Rolle. Davon können besonders wir in Baden-Württemberg nur träumen. Das Niveau ist also enorm hoch, 1-2 Sekunden entscheiden teilweise über mehr als 10 Plätze.

P.S.: Jerôme Clémentz ist auf dem normalen Rad schneller als Nico Vouilloz auf seinem E-Bike! Puh!

Weitere Infos unter: http://tribe-events.com


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