
Bevor es an den richtigen Trainings-Plan geht, gehen wir im zweiten Teil von “Fit auf dem Bike” auf die Dinge ein, die du beachten musst, damit du am Ende auch auf das gewünschte Ergebnis kommst: Fitter auf dem Rad sein und somit mehr Spaß haben!
Zum ersten Teil von “Fit auf dem Bike” geht es hier.
Die 4 Bedingungen des Trainings
Training dient der Leistungsverbesserung. Leider bleibt diese bei vielen aus, da grundlegende Faktoren außer Acht gelassen werden. Bei dir soll das ab jetzt anders werden: Es gibt 4 Hauptkriterien, die einzuhalten sind, damit ein Training auch tatsächlich zum Training wird. Lässt man lediglich einen dieser 4 Faktoren außer Acht, ist es kein Training mehr.
Stell dir vor, du fährst jeden Tag dieselbe Runde: Dieselben Anstiege hoch, dieselben Trails den Berg wieder runter. Du trimmst deinen Körper auf genau diese eine Belastung – aber das ist kein Training. Denn das ist eine einseitige Belastung und lässt die restlichen Faktoren (Siehe Teil 1) unter den Tisch fallen. Kommen jetzt neue Trails, beispielsweise im Bike-Urlaub, ins Spiel, ist man ganz schnell aus der Puste. Ein anschauliches Beispiel ist ein Fliesenleger, der einen körperlich sehr anspruchsvollen Beruf ausübt und den ganzen Tag auf Achse ist. Sein Körper hat sich aber an die identischen Belastungen gewöhnt und ist somit überhaupt nicht topfit.
Um dein Training wirklich Training nennen zu können und Ergebnisse zu sehen, müssen gewisse Dinge gegeben sein:
Regelmäßigkeit
Das bedeutet nicht, dass du dir jetzt jeden Tag eine neue Sportart ausdenken musst. Regelmäßiges Krafttraining mit genügend Pausen ist das Stichwort. Für den Einstieg eignet sich der Rhythmus von 2 Tagen Training mit 4 Tagen Pause dazwischen. Darauf gehen wir am Ende des Artikels nochmal näher ein.
Trainingswirksamer Reiz
Das Stichwort lautet Kraft. Um Kraft und Muskeln aufzubauen, müssen Reize gesetzt werden, die deine Muskeln ans Maximum bringen.
Das heißt, wenn wir eine Übung durchführen, muss diese so schwer sein, dass die letzten Wiederholungen gerade so sauber absolviert werden können. Erst dann entsteht der entscheidende Reiz zur Weiterentwicklung. Vergleichen kann man das mit unserer Hornhaut an den Händen. Die Blasen, die wir von Handschuhen und langen Abfahrten kennen, sind nach ein, zwei Tagen Pause verheilt und eine Hornhaut hat sich gebildet. Diese bildet sich, da erst Gewebe verletzt wurde und der Körper die Information bekommen hat, dass mehr Haut benötigt wird, um mehr Schutz bieten zu können. Ohne diesen überschwelligen Reiz wäre keine Anpassung entstanden. Wenn keine weiteren Reize mehr hervorgerufen werden, entwickelt sich die Hornhaut wieder zurück. Dasselbe Prinzip lässt sich beim Muskel- und Kraft-Aufbau anwenden. Dabei entstehen kleine Muskelfaserrisse, die dein Körper mit neuen Bausteinen wieder zusammenflickt und dadurch Muskeln und Kraft aufbaut.
Stetig steigende Belastung
Durch die neuen Reize wird sich dein Maximum mit der Zeit verändern. Dabei ist es wichtig, die neu gewonnene Kraft zu nutzen und die Belastung mäßig, aber stetig zu steigern. Das kann entweder in Form des Umfangs (mehr Wiederholungen) oder der Intensität passieren (mehr Gewicht).
Variation
Wer nicht variiert, stagniert – wir erinnern uns: der Körper gewöhnt sich an alles. So auch an die Belastung im Training. Die Folge: Es entstehen keine Anpassungen (z. B. Muskel- oder Kraftaufbau) mehr. Dementsprechend gibt es keine Entwicklung mehr, die Einheiten sind nur noch anstrengend. Doch wann tritt diese Gewöhnung ein? Es gibt Studien darüber, die belegen, dass die Entwicklung prozentual in den ersten 3 Wochen am höchsten ist und man danach seine Reize wechseln sollte. Sprich: Seinen Trainings-Plan ändern in Form von anderen Übungen oder anderer Reihenfolge/Kombination. Um die Qualität der Übungen beizubehalten, ist aber ein Wechsel alle 4–8 Wochen völlig im Rahmen.
Die Hauptsache ist, es wird variiert. Das kann auf unterschiedliche Arten geschehen, man muss genau wie bei der Regelmäßigkeit nicht gleich das Rad neu erfinden. Mit Veränderungen in der Wiederholungszahl, Intensität oder dem Einbauen von neuen oder variierten Übungen kannst du eine Stagnation verhindern. Aber auch eine Steigerung deiner Trainingstage kann hilfreich sein.
Qualität vor Quantität
Wenn man sich von Beginn an auf die Qualität konzentriert, kann man die Quantität nach und nach anpassen. Andersherum funktioniert das eher schlecht (Stichwort falsche Impulse). Irgendwann wird sich beides angleichen und man kann optimal trainieren. Qualität bedeutet saubere Ausführung, denn schlechte oder falsche Ausführung kann schnell zu Verletzungen führen. Konzentriere dich zunächst darauf, deine Übungen sauber auszuführen, bevor du die Schwierigkeit erhöhst oder Gewichte dazu nimmst. Gehe immer vom Leichten zum Schweren und lass dir die richtige Ausführung unbedingt erklären.
Die Superkompensation
Was ist eigentlich die optimale Trainings-Frequenz? Was ist zu wenig, wann trainiert man zu viel und beginnt mit der “Verstoffwechselung”? Es gibt verschiedene Faktoren, die das beeinflussen. Verschiedene Übungen haben verschiedene Erholungszeiten, je nachdem wie stark die Muskulatur beansprucht wird. Ganzkörper-Übungen wie das Kreuzheben beispielsweise haben eine deutlich längere Erholungsphase als Isolationsübungen (Anm. d. Red.: Beanspruchung einer spezifischen Muskelgruppe) wie z. B. Bizeps-Curls. Auch wenn Bret Contreras eher bekannt für sein Gesäß-Training ist, seine Grafiken erklären das Prinzip der Superkompensation sehr anschaulich:
Setzt man zunächst den Reiz des Trainings, d. h. die Muskeln werden beansprucht, adaptiert der Körper diese Anstrengung mit neuer Muskulatur. Der optimale Zeitpunkt der Erholung muss also getroffen werden, um Ergebnisse erzielen zu können. Trainiert man zu oft oder zu wenig, sieht die Kurve folgendermaßen aus:
Wie also findet man den perfekten Zeitpunkt heraus, wann man sich die Superkompensation zu Nutze machen kann? Ein grober Richtwert einer “normalen” Erholungsphase kann von 72 bis 90 Stunden dauern, also 3 – 4 Tage. Die Einstiegs-Variante von 2 Tagen Training mit 4 Tagen Pause ist also ein guter Anfang. Falls man nach den ersten 4 Wochen keine Fortschritte erkennt, bietet es sich an, die Erholungs-Zeiten zu verkürzen und auf 3 Tage Pro Woche aufstocken. Mit der Zeit wirst du merken, wie viel Erholung du brauchst, um weiterhin effektive Reize zu setzen. Wichtig: Die Zeit auf dem Bike nicht vergessen! Die Erholungszeit ist zwar bei weitem nicht so lang, jedoch sollte man das in seinem Trainingsplan berücksichtigen.
Du kannst dir deinen Trainings-Plan wie ein Rezept vorstellen: Was willst du am Ende als Ergebnis haben und was musst/willst du dafür einsetzen?
Deine Zutaten sind in dem Falle Übungen, Wiederholungen und deine saubere Ausführung. Die Umsetzung für dein gewolltes Ergebnis kannst du dir selbst zusammen stellen. Wenn du dir unsicher bist oder Fortschritte bislang nicht eingetreten sind, ist es ratsam, Hilfe in Form eines Personal Trainers, Fitness-Kursen oder Trainings-Gruppen in Anspruch zu nehmen.
Das Ziel lässt sich am besten erreichen, wenn man die Übungen unter Anleitung erlernt. Aber wie erkennt man einen guten Personal Trainer?
1. Er sollte auf individuelle Bedürfnisse eingehen
Das bedeutet, er sollte herausfinden, was du persönlich brauchst, wo deine Defizite und Stärken liegen und gezielt an diesen arbeiten. Du solltest aktiv dort hin geführt werden und keinen vorgefertigten Plan aufgedrückt bekommen.
2. Wünsche berücksichtigen, aber trotzdem darauf achten, was der Körper braucht
Deine Wünsche sollten natürlich trotzdem berücksichtigt werden, unrealistische Ziele und Erwartungen aber sachlich ausgeräumt werden.
3. Aufklärung
Du solltest keinen sturen Trainings-Plan abarbeiten und selbst nicht wissen, was du genau tust. Dein Personal Trainer sollte dir erklären, wofür die Übungen gut sind und dich immer wieder an die richtige Ausführung erinnern.
4. Qualifikationen
Verschiedene Ausbildungen oder Studienabschlüsse und Weiterbildungen in den Bereichen Functional Fitness und Physiotherapie sind ein guter Anhaltspunkt, um einen vertrauenswürdigen Trainer zu finden.
5. Persönliche Ebene muss stimmen
Einer der wichtigsten Punkte – Dein Trainer sollte auch persönlich mit dir auf einer Wellenlänge sein, denn das ist das Sahnehäubchen, dass dein Training Ende zum richtigen Spaß macht.
Wenn du dich mehr mit dem Thema Reizsetzung und Superkompensation auseinander setzen willst, hier sind ein paar Quellen:
Text & Redaktion: Joel Pitzer & Jana Zoricic
Bilder: www.bretcontreras.com, Moritz Zimmermann