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Das 24h-Rennen in Finale Ligure ist längst zum Inbegriff der europäischen Endurance-Szene geworden. Kaum ein Rennen weltweit zieht Mountainbiker in Scharen einen kompletten Tag und eine Nacht in seinen Bann, wie das Race an der Ligurischen Küste. Ein Track vor dem sogar die Weltelite zittert. Wie gut ist diese Strecke? Im Jahr 2012 hatte sogar der Gewinner der damaligen Weltmeisterschaft – Jason English – die Strecke als „die härteste Strecke der Welt“ beschrieben. Blut geleckt? Dann kommt mit auf meinen Rennbericht von meiner Solo-Teilnahme an den 24h von Finale Ligure 2016.
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Rennbericht: 24h Solo Finale Ligure 2016 / Kai Saaler
Steile Anstiege, rasante Abfahrten, heftige Rampen, Steilkurven, Wurzelteppiche, verblockte Passagen, Felsen, Staub… die Strecke des 24h Rennens in Finale Ligure ist erbarmungslos und lässt gleichzeitig jedes Bikerherz höher schlagen. Selten findet man einen höheren Singletrail-Anteil bei einem Rennen. Einen Rennrhythmus versucht man vergebens zu finden, denn das ständige Abbremsen und Beschleunigen des Achterbahnkurses lässt es kaum zu, Struktur in das Renngeschehen zu bringen. Also heißt es Gehirn abschalten und einfach treten. Doch das ist unmöglich, da die Strecke permanente Konzentration erfordert. Während bei nationalen 24h-Rennen die Jungs von Sportograf oft die schönsten Locations kreieren, kann auf dem Kurs in Finale Ligure überall geknipst werden.
Rennbericht?! Hm, echt schwer zu differenzieren, wo ich beginnen soll.
Da meine Rennvorbereitungen in dieser Saison alles andere als optimal verlaufen sind, beginne ich dieses mal einfach von ganz vorne. Meine Radkilometer über den Winter waren gerade einmal 1/10 von meinem normalen Umfang. Job und Wochenendbeziehung haben mich gezwungen, mein Training drastisch zu kürzen. Den kompletten Winter war ich nur joggend unterwegs und habe erst ab Mitte April mit dem Rennradtraining begonnen. Dazu kam noch, dass ich mit meinem eigenen, selbst aufgebauten Bike in die neue Saison starten wollte. Da sich das mit dem Lackieren und den einzelnen Komponenten doch recht lange hingezogen hatte, wurde mein Rad erst einen Tag vor dem Rennen fertig. Zuvor saß ich genau 4 mal auf meinem Trainings-Bike und hatte somit quasi Null Mountainbike-Kilometer in den Beinen. Dennoch freute ich mich riesig darauf, endlich an den Start gehen zu können.
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Die letzten Jahre konnte ich immer unter den Top 5 im Gesamtklassement und sogar als Sieger der U30 Kategorie finishen. Doch durch meine miserable Vorbereitung machte ich mir weder Druck, noch musste ich mir etwas beweisen. Mit meinen Freunden, meiner Schwester und meiner Freundin gönnte ich mir am Vorabend ein tolles Dinner und eine halbe Flasche Rotwein. Das Rennen konnte also beginnen.
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Renntag! Bei strahlend blauem Himmel war der Start in diesem Jahr an der Strandpromenade von Finale Ligure. Nach dem Startschuss um 12 Uhr mittags fuhr der Renntross gediegen hinter dem Kamerawagen an der Küste entlang, bis dieser dann in Varigotti, einem beschaulichen Küstenort, abbog und somit das Rennen freigab. Rudolf Springer, der haushohe Favorit aus Österreich, forcierte augenblicklich das Tempo. Das Feld der 154 Einzelstarter und der 2er-Teams preschte wie eine Herde wild gewordener Bisonbüffel hinterher. Schnaufend und keuchend zog sich das Feld schnell auseinander. Bei einer Steigung von maximal 27 % und einem Puls von 180 Schlägen pro Minute brannte das Laktat in den Oberschenkeln.
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Man sollte denken, dass man bei einem 24h-Rennen doch genügend Zeit haben sollte und die Sache langsam angehen lassen kann. Doch bei einer Strecke wie in Finale, die kaum Möglichkeiten zum Überholen bietet, ist es schon von Vorteil, ohne viel Verkehr mit den ersten Fahrern mit zu rollen. Oder eben zu sprinten. Nach ca. 450 Höhenmetern hatten wir endlich die reguläre Rennrunde erreicht und ich versuchte nun den Puls ein wenig zu beruhigen. Nach wenigen Runden merkte ich, dass das warme Wetter mir doch etwas mehr zusetzte als gedacht und ich regulierte erneut mein Tempo, um nicht schon in den ersten Runden alle meine Körner zu verschießen.
Doch ich war nicht alleine mit meinen Problemen – andere erwischte es schlimmer. Der viermalige Finale-Gewinner Rudolf musste nach drei Runden leider das Rennen wegen Magenproblemen aufgeben und auch bei vielen anderen Fahrern lief das Rennen nicht ganz rund. Die deutsche Endurance-Nachwuchshoffnung vom DOWE-Team, Tobias Drunkemöller, konnte nach einem Sturz sein rechtes Knie nicht mehr richtig belasten und auch der Drittplatzierte des WOMC 24h Rennens in Offenburg vom vergangenen Jahr, Felix Karnatz, hatte Beschwerden mit dem Magen zu beklagen.
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Nach sechs Stunden war ich zwar in der Gesamtwertung auf dem ersten Platz gelistet, musste mich aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt mit Muskelkrämpfen auseinandersetzen. Bei den warmen Temperaturen trank ich zwar pro Runde eine ganze Flasche (0,5 l), hatte aber dennoch gehörig damit zu tun, Nährstoffe in meinen Körper zu bekommen. Nach sieben Stunden legte ich dann meine erste Pinkelpause ein. Nur eine Runde später, bemerkte ich jedoch, dass sich mein Lenker am Vorbau gelöst hatte. In einer verblockten Abfahrt standen plötzlich meine beide Bremsgriffe nach oben und ich war gezwungen einen erneuten Stopp einzulegen, um den Lenker neu ausrichten zu lassen. In der darauffolgenden Runde hieß es dann Lampen montieren und sich für die bevorstehende Nacht vorzubereiten. Durch diese vielen Stopps verlor ich schnell meine Spitzenposition und bekam dann ebenfalls wie viele Konkurrenten Magenprobleme. Einige Runden später musste ich mich auch übergeben und hatte starke Probleme meinen Rennrhythmus wieder zu finden. Große Klasse, ich war begeistert.
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Die Nacht verlief dann wider Erwarten weitestgehend ruhig, wobei man erwähnen sollte, dass es die Strecke in der Dunkelheit doch ziemlich in sich hat. Steine und Wurzeln zu fokussieren fällt bei den trockenen Verhältnissen wirklich schwer. Vor allem wenn man einen anderen Biker direkt vor sich hat, folgt man im Prinzip nur einer Staubwolke und hofft, dass sich der Vordermann nicht verbremst.
Da mein Bike erst kurz vor dem Rennen fertig wurde, war ich mit Schlauchreifen unterwegs und hoffte Runde für Runde, dass ich keinen Durchschlag habe. Mit zunehmender Rundenzahl spürte ich immer mehr Unwohlsein in meinem Magen und auch der Puls war mit gerade einmal 110 Schlägen pro Minute ungewöhnlich tief. Das Rennen setzte mir ungewöhnlich stark zu und mein Magen schien wie die Tierwelt um mich herum verrückt zu spielen. Die Vögel zwitscherten die komplette Nacht hindurch und in den Büschen balzten hunderte von Glühwürmchen mit ihrem Partyleuchten um die Gunst der Weibchen. Doch was die Tierwelt kann, kann Finale schon lange!
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Die beleuchtete Fantribüne im „Toboga Stadium“-Abschnitt bebte bei jedem Fahrer, der durch die heiße Nacht heizte.
Die beleuchtete Fantribüne im „Toboga Stadium“-Abschnitt bebte bei jedem Fahrer, der durch die heiße Nacht heizte. Hier feierten die Teams, die am nächsten Tag bei der Team-Ausgabe des Rennens an den Start gehen würden jeden, der sich alleine oder zu zweit den Strapazen stellte. Im Streckenabschnitt, welcher über die Tribüne führte, ließ der Bass der AC/DC-Coverband das Herz beben. Dann endlich um 5 Uhr morgens begann es zu dämmern. Die Sonne zauberte die tollsten Farben an den Morgenhimmel, die sich auf dem Meer spiegelten und die Berge im Hintergrund rundeten die fast schon romantische Stimmung ab. Naja, wäre da nicht der Rennbetrieb und die Magenprobleme! Andere machen hier Urlaub, ich muss Rennen fahren. Selbst schuld.
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Eine Stunde später wurden die Lampen demontiert und ich versuchte einige Happen zu essen. Nach gefahrenen 19 Stunden spielte mein Magen vollkommen verrückt und ich war gezwungen, einen längeren Stopp einzulegen. Mehr möchte ich an dieser Stelle nun nicht erwähnen! Die Motivation war nach dieser Pause allerdings nicht gerade hoch, doch ein Aufgeben des Rennens stand für mich nicht zur Debatte. Der Sieg war mittlerweile unerreichbar geworden, aber dies war mir von Beginn an nicht wichtig. In den verbleibenden fünf Stunden versuchte ich mich noch einmal zu pushen und vor allem keinen Sturz oder einen platten Reifen zu riskieren. Nicht mal ein Viertel des Rennens lag noch vor uns. Trotzdem wusste jeder, dass dies noch 5 lange Stunden werden würden.
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Runde für Runde fühlte ich mich endlich wieder besser und konnte wieder normale Rundenzeiten um die 27 Minuten fahren. Mit viel Flow machte es nun tatsächlich wieder Spaß, über die Strecke zu heizen und die verbleibende Zeit verstrich fast wie im Flug. Lediglich die steilen Anstiege setzten jede Runde dem geschundenen Körper zu. Die letzten Stunden änderte sich im Hinblick auf die Platzierungen nichts mehr und ich konnte hinter einem sehr stark fahrenden Andy Deutschendorf als Zweiter der Gesamtwertung das Rennen beenden.
Der Liechtensteiner Marcel Knaus, der bereits 2005 in Finale triumphieren konnte, holte sich den dritten Platz in der Gesamtwertung. Bei den Frauen konnte, wie im vergangenen Jahr, die im italienischen „Servetto Footon Women Pro”-Team fahrende Elena Novikova aus der Ukraine die Damenwertung der Einzelstarter gewinnen. Sehr stark war auch die Leistung der beiden Gewinner der 2er-Teamwertung Markus und Erik mit ihrem Team “Stop, Hammertime”, die den beiden Teams Promotion Tools aus der Schweiz und Tecnoplast aus Italien den Sieg streitig machten. Als Wolverine und Thor verkleidet machten die beiden Unikate die Bilder der Siegerehrung unbrauchbar für die semiprofessionellen Teams hinter ihnen. Echt hammer Leistung!
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Ich selber konnte nach gefahrenen 329 Kilometern und über 10.250 Höhenmetern die U30 Klasse gewinnen und habe mit Abstand mehr erreicht, als ich zu Beginn des Rennens gedacht hätte. Das alles war nur durch die super Leistung meiner mitgereisten Begleiter Monja Greiner, Michael Schwald, meiner Schwester Eva und meiner Freundin Tamy möglich. Solch eine perfekte Betreuung hatte ich selten an einem Rennen. It’s fun, it’s hard, it’s crazy! Der Slogan von „24h Finale Ligure“ passt wohl wie die Faust aufs Auge für diese einmalige Veranstaltung an der Nordküste Italiens. Bis zum nächsten Mal, euer Kai.
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Weitere Informationen
Website: Kai Saaler auf Facebook
Text: Kai Saaler, Tobias Stahl (Redaktion) | MTB-News.de 2016
Bilder: Privat / Sportograf.de