
Raphaela Richter ist nicht nur amtierende Deutsche Meisterin im Enduro, sondern auch im Downhill – die Radon-Fahrerin ist in Top-Form. Dennoch steht bei der Oberfränkin zukünftig ihre Ausbildung im Fokus. Warum sie in Zukunft international weniger Rennen fährt, wie ihr Verhältnis zu Radon und Manon Carpenter ist und wie ihre Zukunft aussehen wird, erzählt sie uns im Interview.
MTB-News.de: Raphaela, erzähl uns erstmal wer du bist, was du machst und wo du herkommst.
Raphaela Richter: Ich heiße Raphaela Richter, bin 19 Jahre alt, komme aus Eckersdorf/Oberfranken und fahre Enduro und ein bisschen Downhill. Ich habe 2 Semester studiert, das habe ich aber abgebrochen und fange ab September eine Ausbildung zur Augenoptikerin an.
Ausbildung, wie lässt sich das mit dem Radfahren vereinbaren?
Das werden wir dann sehen (lacht). Ich werde international nicht mehr so viele Rennen fahren, was aber vielleicht auch gar nicht so schlimm ist, weil ich im letzten Jahr, vor allem in den letzten Monaten, nicht mehr so viel Spaß am Radfahren bzw. am Training hatte. Und ich glaube: wenn ich einen geregelten Tagesablauf habe und mich nach der Arbeit als Ausgleich nochmal aufs Rad schwinge, kommt der Spaß eher wieder als bis jetzt im Studium. Da muss man alles selbst organisieren und planen, das war nichts für mich.
Dafür, dass es so klingt, als wärst du dieses Jahr nicht so motiviert gewesen, verlief das Jahr aber ziemlich erfolgreich: Du hast dieses Jahr zwei deutsche Meistertitel geholt, einen davon sogar im Downhill. Wie kam es dazu, dass du das Rennen mitgefahren bist?
Es war eigentlich die ganze Saison schon geplant, dass ich in Ilmenau mit fahre. Aber ich habe mir auch selbst gedacht, dass es ganz cool wäre, wenn ich das schaffen würde. Also habe ich ein bisschen Zeit auf dem Downhiller verbracht und versucht, mich auf die DM vorzubereiten. Eigentlich habe ich bis zum Renntag aber nicht mehr wirklich mit dem Sieg gerechnet. Außerdem wollte ich auch einfach mal wieder nach ein paar Jahren ohne Downhill sehen, ob ich dort überhaupt eine Chance habe und ob es mir gefällt. Ich denke, disziplinübergreifend zu fahren bringt wieder mehr Schwung in die ganze Sache und kann nicht schaden, sowohl für den Spaß als auch für die Fahrtechnik.
Hast du Erfahrungen aus dem Wochenende mitgenommen oder wolltest du einfach nur schauen, was passiert?
Ich wurde schon öfter gefragt, ob ich nicht ein paar mehr Downhill-Rennen fahren will. Ich habe aber festgestellt, dass man beim Enduro viel mehr zum Fahren kommt. Ich habe mir zwar sagen lassen, dass es bei dieser deutschen Meisterschaft mit den Streckensperrungen extrem war, aber es hat teilweise ein bisschen genervt, weil man so viel rumgestanden hat. Aber das Fahren an sich – die Strecke war geil – hat mir grundsätzlich schon Spaß gemacht, weil ich nicht bergauf fahren musste (lacht).
Allgemein zur Szene habe ich keinen wirklichen Unterschied zwischen DH und Enduro feststellen können. Die meisten Leute sind überall nett und halten zusammen.
Dann hast du ja bestimmt auch mitbekommen, dass du durch deinen Sieg für die WM in Cairns infrage gekommen bist, aber nicht nominiert wurdest – was große Diskussionen ausgelöst hat, warum die deutsche Meisterin nicht zur WM fährt. Wie hast du die ganze Entscheidung empfunden?
Mein Teamchef hat mich angerufen und gefragt, wie es aussieht und ob ich Interesse hätte mitzufahren. Ich hätte es auch einerseits gerne in Angriff genommen, aber da ich im September die Ausbildung begonnen habe, konnte ich nicht gleich in der ersten Woche Urlaub nehmen (lacht). Außerdem ist Cairns schon ein extrem weiter Weg, der auch erstmal finanziert werden muss. Hauptgrund war aber die Ausbildung und ich wusste auch, dass sich das nicht vereinbaren lässt. Trotzdem habe ich die Entscheidung so getroffen. Dementsprechend hat mich die ganze Sache, dass ich nicht nominiert wurde, eher weniger gejuckt.

Aber nochmal einen Schritt zurück: Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Enduro-Rennen zu fahren?
Na ja, ich bin vorher Cross-Country gefahren und da lief es irgendwann nicht mehr so gut, weil es mir keinen Spaß mehr gemacht hat – bergauf fahren auf Zeit ist einfach nicht mein Ding. 2012 hatte ich sogar überlegt, ganz aufzuhören. In dem Jahr haben meine Brüder schonmal an einem Enduro-Rennen teilgenommen und davon geschwärmt. In dem Jahr war in Schöneck das erste Mal die Roll & Rock Veranstaltung, bei der ich mich mit angemeldete und mir dafür ein Enduro-Hardtail ausgeliehen hatte. Mit dem Rad bin ich dann mitgefahren und habe gewonnen. Das war schon eine coole Erfahrung: ein entspanntes Miteinanderfahren, aber trotzdem ein Wettkampf. Diese Atmosphäre hat mir total gefallen. Im Cross-Country war viel Konkurrenzdenken, das hat mich auf Dauer sehr genervt. Ich war zu der Zeit mitten in der Pubertät, das hat vielleicht alles nochmal schlimmer gemacht.
Das heißt, du bist durch Cross Country zum Mountainbikefahren gekommen?
Genau. Ich habe mit 5 Jahren mit Cross Country angefangen und bis 2012 versucht, das halbwegs gut zu machen – ich habe die Gesamtwertung in der U15 Nachwuchssichtung gewinnen können, was schon gar nicht so schlecht ist. Irgendwann lief es aber nicht mehr so gut, ich nahm ein bisschen zu, kam den Berg nicht mehr so schnell hoch und so weiter.
Zurück zu deinem ersten Hardtail Enduro-Rennen. Wie ging es weiter? Wie kam es zu deiner Partnerschaft mit Radon und zu der Entscheidung, richtig Rennen zu fahren?
2013 bin ich eine Saison lang mit besagtem Hardtail Enduro-Rennen gefahren, hatte aber meine Startschwierigkeiten in der Specialized Enduro Serie, weil ich damals nicht so viel trainiert hatte. Irgendwann hatte ich richtig Spaß und am Kronplatz konnte ich dann den vierten Platz holen. Daraufhin hat mich Oliver Fuhrmann angeschrieben – der damalige Team-Manager von Radon – und hat mir ein Angebot gemacht. Es ging also eigentlich ziemlich unkompliziert und recht kurzfristig, hat aber alles ganz gut gepasst.
Letztes Jahr wurdest du ja sogar Weltmeisterin in der Juniorenklasse der EWS. Wie geht es weiter mit dir und Radon?
Das steht jetzt alles noch offen. Mehr will ich dazu mal noch nicht verraten.
Also ist dein nächstes Ziel erstmal die Ausbildung?
Auf jeden Fall. Ich versuche aber weiter, national ein paar Enduro- und Downhill-Rennen zu bestreiten.
Keine EWS mehr?
Nein, ich denke nicht. Vielleicht ein Rennen oder zwei. Kommt darauf an, wie ich das mit dem Urlaub planen kann.
Du hast ja bestimmt mitbekommen, dass deine Teamkollegin Manon Carpenter sich auch dazu entschieden hat, keine Rennen mehr zu fahren. Hast du sie kennengelernt und was denkst du über ihre Entscheidung?
Das erste Mal kennengelernt habe ich sie im November 2016, beim ersten Team-Meeting in Bonn. Da war ich selbst noch das totale Fangirl und ein bisschen schüchtern. Beim Teamcamp in San Remo war es dann richtig cool. Sie ist total bodenständig, wir haben uns super gut verstanden und hatten auch ähnliche Interessen. Sie hat mir immer gute Ratschläge gegeben und ich konnte mich mit ihr supergut an Sachen auf dem Downhill-Rad herantasten. Wir sind in Kontakt geblieben, seitdem habe sich sie aber nicht mehr gesehen. Ihre Entscheidung respektiere ich und kann das absolut verstehen. Downhill wird immer anspruchsvoller und wenn sie sagt, sie will das Risiko nicht mehr auf sich nehmen, dann ist das nachvollziehbar.
Sieht das bei dir ähnlich aus? Spielt das Risiko bei dir auch eine Rolle oder macht dir das Rennen fahren einfach keinen Spaß mehr?
Ich wurde oft von meinem Teamchef gefragt, ob ich mehr Downhill und World Cups fahren will und die Strecken sind schon recht schnell und anspruchsvoll. Wenn es dich da mal hinhaut, kann das auch mal sehr schlecht ausgehen. Und wenn ich jetzt sehe, dass zum Beispiel der Fischi (Anm. d. Red.: Johannes Fischbach) die halbe Saison außer Gefecht gesetzt war, weil er mit seiner Schulter zu kämpfen hatte… Na ja, das ist ein Risiko, dem man sich bewusst sein muss. Ich hatte auch noch das Problem mit dem Downhiller, dass ich mich ziemlich lang wieder herantasten musste, weil ich mich bei der Downhill WM 2014 in Hafjell ziemlich aufs Maul gelegt habe. Danach hatte ich mit dem Nacken noch Probleme, nichts Dramatisches, aber damals war ich noch ziemlich jung und meine Eltern hatten da noch mehr Einfluss auf mich und mir hat seitdem teilweise der Mut zum Downhill fahren gefehlt. Jetzt bin ich älter und kann das selbst entscheiden.
Wie siehts aus im Enduro: siehst du das als weniger risikoreich oder ist das eine andere Art von Risiko?
Es ist auf jeden Fall eine andere Art von Risiko. Wenn ich mich mit Fischi unterhalte, sagt er: Enduro ist total krank, die Leute sind gestört, die fahren Downhill-Strecken mit dem Trailbike und das auch noch schnell. Wenn man sich das genauer anschaut, ist es wahrscheinlich auch genauso risikoreich, aber viele Strecken sind doch einfacher. Beim Downhill ist es aber so, dass jeder Baum und jeder Winkel der Strecke abgesichert ist. Beim Enduro denke ich mir bei manchen Strecken schon, dass man mitten im Wald steht, teilweise ist kein Streckenposten da, links geht es 50 Meter den Abhang runter und wenn du da stürzt, bist du schon ziemlich am Arsch. Aber ich habe festgestellt, dass bei der EWS die schwierigsten Stellen mittlerweile abgesichert und genügend Streckenposten da sind. Es ist schwierig zu sagen, ob Enduro wirklich gefährlicher ist als Downhill, wenn man es gewohnt ist, auf Sicht zu fahren. Ich bin das Endurofahren gewöhnt, ich kenne meine Limits und wenn man das aus dem Blinkwinkel betrachtet, bin ich da wohl sicherer unterwegs.

Hast du irgendwelche Vorzüge an deinem Bike?
Ich mag einen recht weichen Druckpunkt an meinen Bremsen und die Hebel ziemlich nah am Lenker. Ich fahre mein Fahrwerk recht straff für mein Gewicht. Am Enduro-Rad stell ich nicht so viel um, aber am Downhiller kann es sein, dass sich je nach Strecke etwas ändert. Ich gewöhne mich recht schnell an ein neues Rad, aber manchmal bin ich auch ein recht stumpfer Hackstock und merke gar nichts, zum Beispiel hat unser Mechaniker bei der DM festgestellt, dass der eine Bremshebel an meinem Rad viel weiter unten hängt als der andere – und ich es nicht mal gemerkt hatte.
Es gibt ja immer wieder Diskussionen über die Rolle von Frauen im Mountainbike-Sport – Frauen sind ja immer noch ziemlich unterbesetzt. Hattest du schonmal das Gefühl, dass du eine Vorbildfunktion für junge Frauen sein müsstest, die auch Mountainbike fahren oder fahren wollen?
Zu Frauen im Mountainbike-Sport allgemein: Die Leistungsdichte bei den Frauen ist nicht so hoch wie bei den Männern. Einerseits kann ich zum Beispiel in Sachen Preisgeld verstehen, wenn die Frage aufkommt, warum die Frauen genauso viel Preisgeld bekommen wie die Männer, andererseits ist es aber auch so: wenn man auf einem gewissen Niveau fährt, wird bei den Frauen genauso hart gearbeitet. Bei der EWS ist in den Top 10 der Frauen heuer viel passiert und ab einem gewissen Niveau sollten Frauen meiner Meinung nach gleichgestellt sein. Und ich finde es schade, dass es nicht so viele Frauen in unserem Sport gibt.
Was die Vorbildfunktion angeht… ich weiß nicht, wenn dann möchte ich ein Vorbild für alle sein und versuche, auch wenn ich jetzt trainingstechnisch selbst ein bisschen faul war, auf den Rennen eine gute Stimmung zu verbreiten. Wenn ich mich aufs Fahrrad setze und Bock habe, freue ich mich natürlich, wenn das auf andere Frauen überschwappt. Aber grundsätzlich versuche ich nicht speziell Frauen anzuspornen, sondern allgemein Bock auf Radfahren zu machen.
Du hast jetzt ab und zu schon erwähnt, dass du in letzter Zeit nicht mehr so viel trainiert hast. Heißt Training bei dir nur auf dem Rad zu sitzen oder machst du noch was anderes?
Ich habe seit 2 Jahren keinen Trainer mehr, weil ich dachte, dass ich genug Erfahrung durch meine Zeit mit Trainer im Cross-Country gesammelt habe. Und am Ende habe ich seinen Trainingsplan sowieso nicht mehr eingehalten, also habe ich zu ihm gesagt, dass er sich die Arbeit sparen kann. Ich kenne mich selbst ganz gut und habe ein gewisses Körpergefühl ausgebildet. Dadurch weiß ich ungefähr, wann ich was machen muss. Wir haben viele Trainingsangebote vom Verein aus, die ich ab und zu wahrnehme, wie zum Beispiel Intervalle, Sprint-Trainings und so weiter. Im Winter habe ich auch relativ viel klassisches Krafttraining gemacht, aber diesen Winter war es eher zäh. Dann mach ich noch ein bisschen Stabilisations-Training. Aber irgendwann hat man es dann mal weg gelassen und dann lässt man es öfter weg… deshalb habe ich irgendwann die Einstellung gehabt, dass ich kaum noch Intervalle trainiere, sondern einfach Trails so schnell wie möglich fahre und so lange, wie ich Bock drauf habe. Das hat mich dann dieses Jahr anscheinend trotzdem noch fit genug gehalten und deutlich mehr Spaß gemacht.
Wenn du ganz weit in die Zukunft schaust: Meinst du, dass du nochmal eine Rennkarriere anstreben wirst oder soll Radfahren für dich wieder zum reinen Hobby werden?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe jetzt beschlossen, die Ausbildung zu machen, ziehe die 3 Jahre durch und dann kann ich danach, wenn ich vielleicht wieder richtig Lust drauf habe, immer noch versuchen, mir ein Team oder ähnliches zu suchen. Deswegen will ich ja auch dem Sport erhalten bleiben und national noch ein paar Rennen fahren – besser als gar nichts. Ich halte mir jetzt einfach alle Optionen offen. Ich bin selbst mal gespannt auf meine Zukunft und hoffe, dass etwas Gescheites dabei rauskommt.
Vielen Dank für deine Zeit, Raphaela!
Kein Problem, sehr gerne!